Existenzanalyse 2/2016

ORIGINALARBEIT

Zeitschrift ExistenzanalyseTRAUMA – DISSOZIATION UND INTEGRATION

LILO TUTSCH, RENATE BUKOVSKI

Der Artikel beschreibt im ersten Teil die Dissoziation als Überlebensmechanismus der Person in traumatischen Erfahrungen. Das Erleben von Dissoziation, die Auswirkungen auf das Selbst- und Welterleben der Person, die Folgen in ihrer mannigfaltigen Symptomatik wie auch theoretische und geschichtliche Betrachtungen werden ausgeführt. Der zweite Teil befasst sich mit den Voraussetzungen und einigen Vorgangsweisen zur Integration von (teil-)dissoziierten Erfahrungen im psychotherapeutischen Prozess.

Schlüsselwörter: Trauma, Dissoziation, Integration, Stabilisierung, Selbstdistanzierung, Mitgefühl, Trost

PLENARVORTRAG

GRENZEN: DIE MENSCHLICHE HERAUSFORDERUNG
Eine Einführung ins Tagungsthema

BRIGITTE HEITGER-GIGER

Eine überblicksartige Einführung in die Thematik der Grenze mit den Aspekten der Grenzziehung, der Grenzerfahrung und der Entwicklung von Grenzen. Dabei werden die Ebenen Politik, Gesellschaft, Beziehung und Individuum beleuchtet. Besonders eingegangen wird auf die Fragen, was die Aufgabe einer Grenze ist und welche Eigenschaften diese folglich haben sollte.

Schlüsselworte: Grenze, Aufgabe von Grenzen, Grenzerfahrung, Entwicklung von Grenzen

„SEIN ZUM ENDE“
Grenzerfahrung im Horizont der Zeit

HELMUT DORRA

Im Bewusstsein einer endlichen Befristung verleitet uns eine chronologische Zeiterfahrung dazu, immer schneller zu werden, um Zeit zu gewinnen. Hier erweist sich ein forciertes Tempo als Dynamik betriebsamer Geschäftigkeiten, die in vielfachen Facetten hastiger Reagibilität und operativer Aktivität ihren Ausdruck findet. Jedoch leben wir mit unserem geschichtlichen Werden und Wandel im Laufe einer vergehenden Zeit, die allem Beginnen ein Beenden gebietet. Der Tod ist die unausweichliche Schranke und Beschränkung unseres Daseins, nicht nur Begebenheit einer unbestimmten bevorstehenden Zukunft, vielmehr mitten im Leben gegenwärtig, wann immer wir an Grenzen gelangen.

Darum sind unserem Dasein im Horizont der Endlichkeit Grenzen gesetzt, mit denen uns geboten ist, unsere je eigenen Entfaltungs- und Werdemöglichkeiten wahrzunehmen, wie auch uns selbst als Grund unseres Handelns zu übernehmen.

Schlüsselwörter: Angst, Endlichkeit, Gegenwart, Grenzsituation, Zeit

VOM AUSHALTEN ZUM ANNEHMEN VON GRENZERFAHRUNGEN

RENATE BUKOVSKI

Die Erschütterung durch Grenzerfahrungen wie unerwartete Verluste, schwere somatopsychische Erkrankungen u.Ä. ist oft verbunden mit dem Erleben von Ohnmacht, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sowie Gedanken wie „das halte ich nicht aus“, „es wird nie wieder gut“ u.a.m. In der Konfrontation mit der Grenze können die Verarbeitungsfähigkeiten derart überfordert sein, dass verschiedene Copingreaktionen die vorerst einzige Möglichkeit der Bewältigung darstellen, um ein „Überleben“ zu sichern.

Sucht ein Mensch in/nach solchen Erfahrungen professionelle psychotherapeutische Hilfe auf, sollen seine Schutzmechanismen achtsam bewusst gemacht und er oder sie vom Aushalten als Ur-Können hin zum Annehmen der neuen Lebenssituation begleitet werden. Ziel ist es, das Erfahrene sein-lassen-zu-können und wieder in Beziehung mit sich und zu den verbleibenden Lebensmöglichkeiten zu kommen. Dabei wissen weder der Betroffene selbst, noch die Therapeutin, ob und welche Werdens-Möglichkeiten sich dem Einzelnen aus der Tiefe seines Personseins angesichts der Grenzerfahrung erschließen können, denn immer ist der Mensch mehr als er von sich selber und ein anderer von ihm wissen kann (Jaspers 1999).

Im Beitrag sollen Vorgehensweisen sowie grundlegend geforderte Haltungen der Psychotherapeutin anhand von Fallbeispielen aus der existenzanalytischen Praxis1 beleuchtet werden.

Schlüsselwörter: Grenzerfahrung, Psychotherapie, Leiden, Aushalten, Annehmen

LEBEN AN GRENZEN Eine Herausforderung für uns alle

UDO RAUCHFLEISCH

Das Leben an Grenzen mit der Gefahr von Diskriminierung und Ausgrenzung betrifft Transidente, aber auch Menschen mit gleichgeschlechtlichen Orientierungen. So sind Transidente, vor allem in ihrem Transitionsprozess, in einem extremen Ausmass Fremdbestimmung unterworfen, indem sie für alle Schritte eine spezielle Erlaubnis, z. T. in Form von Gutachten, brauchen und sich bestimmten Vorgaben unterwerfen müssen. Auch die Etikettierung als „krank“ durch psychiatrische Diagnosen drängt Transidente in eine randständige Position, obwohl Transidentität keine psychische Erkrankung, sondern eine Normvariante ist. Um Ausgrenzungen abzubauen, sollten wir das „Anders-Sein“ von Menschen generell als Herausforderung und Bereicherung (i. S. Diversity) verstehen. Transidente und Menschen mit gleichgeschlechtlichen Orientierungen können auch eine positive Wirkung auf die Gesamtgesellschaft ausüben, indem sie Mut zum „Anders-Sein“ machen.

Keywords: Ausgrenzungen, Diversity, Homosexualität, Trans-identität, Transsexualität

RESILIENZ – WAS KINDER IN GRENZSITUATIONEN STÄRKT UND SCHÜTZT

MAIKE RÖNNAU-BÖSE & KLAUS FRÖHLICH-GILDHOFF

In diesem Beitrag wird das Konzept der Resilienz vorgestellt und Grundprinzipien der Resilienzförderung erläutert. So erweisen sich eine stärkenorientierte Haltung, der Schutzfaktor Beziehung und eine multimodale Vorgehensweise als wesentliche Parameter für eine gelingende Resilienzförderung. Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie birgt ein großes Potential in sich, resilienzfördernd zu sein. So lassen sich personale Ressourcen, die Resilienzfaktoren, in das therapeutische Vorgehen einordnen und geben Anregungen einer gezielteren Resilienzförderung im Rahmen der Kinderpsychotherapie.

Schlüsselwörter: Resilienz, Kinderpsychotherapie, Resilienzförderung, Beziehung

SELBSTANNAHME UND SELBSTVERTRAUEN
Personale Voraussetzungen für den Umgang mit Grenzerfahrungen

CHRISTOPH KOLBE

Wenn wir in unserem Leben an Grenzen stoßen, können wir nicht einfach so weitermachen wie bisher. Wir sind vor eine zu meisternde Herausforderung gestellt, die uns auffordert, uns mit dem Widerständigen auseinanderzusetzen, es zu integrieren und mit ihm zurecht zu kommen. Hierfür sind Selbstannahme und Selbstvertrauen wesentliche Bedingungen. Die Selbst-

annahme bildet den personalen Boden für das Umgehen mit und Überwinden von Grenzen. Sie macht den Menschen unabhängig von äußeren Gegebenheiten und verbindet sich mit der unverletzlichen Würde des Menschen. Im Selbstvertrauen aktiviert der Mensch diese Selbstannahme, so dass es zu einer Auseinandersetzung mit seinen inneren und äußeren Gegebenheiten kommen kann. Wesentliche Schritte zur Arbeit an und mit der Selbstannahme sowie dem Selbstvertrauen werden dargelegt.

Schlüsselwörter: Selbstannahme, Selbstvertrauen, Grenze, Grenzerfahrung

GRENZEN – EIN SCHLÜSSEL ZUR EXISTENZ
Leben und Leiden an den Grenzen des Daseins

ALFRIED LÄNGLE

Eingangs wird auf die grundlegende Bedeutung von Grenzen für das Sein und das Leben Bezug genommen und deutlich gemacht, wie sehr Grenzen alles Belebte und Unbelebte strukturieren. Das macht verständlich, dass Grenzen auch den sozialen und persönlichen Raum durchziehen und für die Gestaltung der Existenz notwendig sind. Anschließend wird auf die psychologischen Probleme mit Grenzen eingegangen, die Schwierigkeit ihres Verständnisses und ihrer Akzeptanz. Nach einer Systematik der Grenzen und ihrem anthropologischen Ort geht es um den Umgang mit ihnen und um den spezifischen Wert der Grenzen. Abschließend wird das Potential der Grenzen und ihre Dynamik innerhalb der Dimensionen der Existenz und ihrer Voraussetzungen analysiert, worin sie als Ermöglichungen aufscheinen und so paradoxerweise zur Freiheit beitragen.

Schlüsselwörter: Grenze, Existenz, Potential, Einschränkung, Ermöglichung

SYMPOSIUM PSYCHOTHERAPIE

ÜBUNGEN ZUR PHÄNOMENOLOGISCHEN FORSCHUNGSMETHODE

SILVIA LÄNGLE & STEPHANIE HÄFELE-HAUSMANN

Die Hermeneutisch-Phänomenologische Forschungsmethode ist ein neues Instrument für ein intersubjektiv nachprüfbares Vorgehen in der qualitativen Forschung. Nach ihrer Erstbeschreibung (2015) wird hier ein Beispiel für die konkrete Umsetzung der Methode mit dem Interview eines Patienten aus einer Langzeitstation für Suchttherapie gegeben.

Die praktische Vorgangsweise wird hier anhand nur einer Frage aus dem Interview besprochen indem die schrittweise Durcharbeitung aufgezeigt wird. Dafür wird die umfassendste Frage herangezogen: Was bedeutet für Sie/dich ein gutes Leben? Die Fragen werden Patienten zu Therapiebeginn und Therapieende vorgegeben, sodass im Prä-Postvergleich der Therapieeffekt deutlich wird. Die Anwendung der phänomenologischen Vorgangsweise führt zur „Einklammerung“ der Tatsachen-Interpretation (kognitive Ebene), der affektiven Interpretation (psychische Ebene), und der erfahrungsbezogenen Interpretation (personal respektierende Ebene). Damit erhält die Untersuchung einen Begegnungscharakter anhand dessen, was in dem Gesagten vom Patienten selbst zum Ausdruck gebracht und gemeint wird. Dies wird als das Wesentliche verstanden, wodurch das Therapieergebnis inhaltlich und mit subjektiv-personalem Erleben zur Darstellung kommt.

Schlüsselwörter: hermeneutisch-phänomenologische Forschung, qualitative Forschung, Prä-Postvergleich, Phänomenologische Analyse

„EIN INNERER SICHERER ORT“

DORIS FISCHER-DANZINGER UND BARBARA GAWEL

Traumatisierende Erfahrungen, die die Grenzen der physischen, psychischen und geistigen Belastbarkeit und Verarbeitungskapazität sprengen, führen zu einer tiefen existentiellen Erschütterung. Das Vertrauen in die Welt, der Zugang zu vormals Wertvollem wie auch zu sich selbst und zu seinen Fähigkeiten ist verunsichert. Häufig entwickeln Betroffene traumatische Stressreaktionen. In der Therapie ist es hilfreich und wichtig, diese Menschen dabei zu unterstützen, wieder mehr Sicherheit in ihrem Leben zu gewinnen. Neben der Suche nach haltgebenden Erfahrungen in der Welt hat es sich als sehr hilfreich erwiesen, wenn Betroffene mittels Imagination einen inneren Ort aufsuchen können, wo sie sich sicher und geborgen fühlen und wo sie in Stresssituationen zur Ruhe kommen können.

In der Methodendemonstration wurde nach einer kurzen theoretischen Einführung gezeigt , wie die Anleitung und Durchführung der Imagination „Sicherer Wohlfühlort“ – angepasst an die grundmotivationalen Bedürfnisse der Patienten – in der Praxis angewendet werden kann.

Schlüsselwörter: Traumatische Erfahrungen, innerer sicherer Ort, Imagination

SICH SELBST UND DER WELT WIEDER VERTRAUEN KÖNNEN:
Erfahrungen von lebensbedrohlich Erkrankten in einer LSD-unterstützten Psychotherapie

TORSTEN PASSIE, PETER GASSER

In der hier dargestellten Studie wurden 12 Patienten mit existenziellen Ängsten durch die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit zwei LSD-Sitzungen und begleitender Psychotherapie behandelt. Solche Patienten zeigen typischerweise ein Reaktionsmuster mit Einengung des emotionalen Erlebens, der Denkinhalte und der interpersonalen Beziehungswelt. Quantitative und qualitative Ergebnisse zeigen, dass supervidierte LSD-Sitzungen die Patienten in die Lage versetzen, sowohl ihre Situation offener und intensiver zu konfrontieren als auch die innere Einengung zu überwinden – verbunden mit einer dramatischen Veränderung der emotionalen Grundbefindlichkeit. Dabei spielen „innere Begegnungen“ mit essenziellen Aspekten der persönlichen Biographie, der Existenz, der Wahrnehmung des Eingebettetseins in umfassendere Zusammenhänge ebenso wie basale Erfahrungen von Sicherheit und Vertrauen eine zentrale Rolle. Ausmaß und Dauerhaftigkeit der Veränderungen verweisen auf einen besonderen Zugang zur inneren Welt und Existenz, den diese Erfahrungen ermöglichen können.

Schlüsselwörter: Psychotherapie, terminale Erkrankungen, LSD-Therapie, Psycholyse, Psychedelische Therapie, Psycholytische Therapie

KRANKHEIT ALS GRENZSITUATION
Reflexion einer Selbsterfahrung

ELISABETH PETROW

Manchmal verändern schwere Erkrankungen das Leben so fundamental, dass die Betroffenen in eine Grenzsituation im Jaspers‘schen Sinne geraten. Das Ausmaß der damit verbundenen existentiellen Erschütterung lässt sich von außen allenfalls erahnen. Das macht die Begleitung von Klienten bei ihrem Umgang mit dieser Grenzsituation schwierig. Zum besseren Verständnis des inneren Erlebens möchte ich Teile meiner Selbsterfahrung mit Krankheit anhand eigener Zeichnungen in Bezug auf einige Aspekte der Grenzsituationen von Jaspers reflektieren.

Schlüsselworte: Krankheit, Grenzsituation, Selbsterfahrung

BORDERLINE – THERAPIE AN GRENZGÄNGERINNEN

RUPERT DINHOBL

Im Sinne einer Einbettung in das Tagungsthema wird versucht, die Grenzerfahrungen, die Borderline-PatientInnen machen, nachzuzeichnen und sie verstehbar zu machen. Es wird auch die Bedeutung des (meist) dahinterliegenden Traumas beleuchtet. Wie die KlientInnen werden auch TherapeutInnen in die Hochschaubahn der Gefühle hinein gezogen und erleben selbst Grenzerfahrungen. Im Sinne der „Wende“ werden die therapeutischen Zugänge zwei Polen zugeordnet: Am „strikten Pol“ angesiedelt sind die Tools der Dialektisch-Behavioralen Methode nach M. Linehan, mit ihrer Hilfe soll der Rahmen für Therapie geschaffen werden. Am „verstehenden Pol“ geht es um eine Weiterführung durch die Personale Existenzanalyse und Elemente der Traumatherapie nach L. Reddemann.

Schlüsselwörter: Borderline-Störung, Traumatherapie, Dialektisch-Behaviorale Methode (M. Linehan), Personale Existenzanalyse (PEA)

WAS MACHT EINE GUTE BEZIEHUNG AUS? PRÄDIKTOREN EXISTENTIELLER ERFÜLLUNG IN HETEROSEXUELLEN ROMANTISCHEN BEZIEHUNGEN

ELENA M. UKOLOVA, VLADIMIR B. SHUMSKIY, EVGENY N. OSIN

Die Studie zielt darauf ab, Prädiktoren existentieller Erfüllung in engen Beziehungen zu untersuchen, eine Operationalisierung von Beziehungsqualität anhand von A. Längles existenzanalytischem Zugang, mit Verwendung einer Querschnittsgestaltung. Teilnehmer waren 309 Erwachsene, die einen Online-Fragebogen ausfüllten. Wir verwendeten den Test zur Bemessung existentieller Motivationen in zwischenmenschlichen Beziehungen, ein 36-Item Forschungsinstrument, das die Erfüllung der 4 Grundmotivationen, als auch Werte zum subjektiven Wohlbefinden, zur positiven Einstellung sich selbst gegenüber, zur Entfremdung, und auch zur Psychopathologie, nach Alter, Geschlecht und Beziehungsdauer feststellt. Die existentielle Erfüllung in Beziehungen wiesen theoretisch vorhersehbare schwache bis mäßige Korrelationen mit anderen Studienvariablen auf. Die Moderationsanalyse entdeckte einige Wirkungen: 1) subjektive Zufriedenheit wurde stärker verbunden mit Erfüllung in Langzeit- als in Kurzzeitbeziehungen 2) Psychopathologie, Verständnis für sich selbst, und Entfremdung in Beziehungen waren stärkere Prädiktoren von Erfüllung in Beziehungen für ältere als für jüngere Erwachsene 3) positive Einstellung sich selbst gegenüber wurde assoziiert mit Erfüllung in Beziehungen für Männer, nicht für Frauen. Indikatoren der Einstellung sich selbst gegenüber, und der Entfremdung, blieben signifikante Prädiktoren existentieller Erfüllung in Beziehungen nachdem die Psychopathologie bestimmt wurde. Die Ergebnisse werden diskutiert im Kontext der existenzanalytischen Theorie. Longitudinalstudien waren nötig um die ursächlichen Zusammenhänge zu enthüllen, die aktuellen Ergebnisse stützen jedoch die Gültigkeit des existenzanalytischen Zugangs zur Beziehungsqualität.

Schlüsselwörter: existentielle Erfüllung, existentielle Grundmotivationen, romantische Beziehungen, Authentizität, Einstellung sich selbst gegenüber, Psychopathologie

SYMPOSIUM BERATUNG UND BEGLEITUNG

UNBEGREIFLICH FREMD UND FERNE … (H. HESSE)

KLAUDIA GENNERMANN

Auf Grund globaler und gesellschaftlicher Entwicklungen fragen zunehmend Menschen aus unterschiedlichen, mehr oder weniger fremden Kulturkreisen um Beratung an. Der kulturelle Kontext nimmt Einfluss auf das Geworden-Sein von Menschen und schlägt sich in deren Sprache, Identität, deren Wahrnehmung und in deren Einstellungen nieder und wirkt sich deutlich im Beratungsprozess aus. Das macht eine besondere Aufmerksamkeit für kulturelle Einflüsse und deren Auswirkungen im interkulturellen Beratungsprozess erforderlich.

Im Folgenden werden die kulturellen Hintergründe und die daraus erwachsenden Aufgaben für die interkulturelle existenzanalytische Beratung in den Blick genommen und genauer beschrieben.

Schlüsselwörter: Beratung, Interkulturalität, Sprache, Wahrnehmung, Phänomenologie

SYMPOSIUM PÄDAGOGIK

PERFEKTIONISMUS IM FRÜHEN ERWACHSENENALTER

BARBARA GAWEL

Hohe Ansprüche an sich bis hin zum Perfektionismus scheinen gegenwärtig weit verbreitet zu sein. Im Perfektionismus wird es eng für die Person, wenn er zum Schutzschild gegen Kritik, zur Quelle von Identität oder zum Ersatz für den Selbstwert wird. Denn der vermeintliche Schutz vor Kränkung reicht nie aus, gibt keine Sicherheit und das Leiden verstärkt sich. Der Artikel fokussiert Perfektionismus bei jungen Erwachsenen, und geht der Frage nach, wie man vom Schein, vom perfekten Auftritt, zum Sein gelangt, also an das authentische Selbst.

Schlüsselwörter: Perfektionismus, Copingreaktionen, Selbst, Identität

SYMPOSIUM KINDER- UND JUGENDLICHENPSYCHOTHERAPIE

GRENZVERLETZENDE JUGENDLICHE MIT LERNBEHINDERUNG

MARTIN KÖBERL

Im folgenden Beitrag werden Jugendliche mit Behinderungen als Opfer aber auch als Täter grenzverletzenden Verhaltens vorgestellt. Es wird auf einige tendenzielle Besonderheiten in der psychosexuellen Entwicklung und im Täterverhalten hingewiesen. Abschließend werden methodische Zugänge des sexualpädagogisch-therapeutischen Settings skizziert.

Schlüsselwörter: Sexualität, Behinderung, sexuelle Grenzverletzung, Täterarbeit

SYMPOSIUM ORGANISATIONSENTWICKLUNG

DER REIFUNGSPROZESS DURCH SITUATIVE BLOCKADEN IN DEN GRUNDMOTIVATIONSTHEMEN
Eine beachtenswerte Dynamik für Organisationen

RAINER KINAST

Die Grundmotivationen beschreiben, wie die Person das Leben und sich selbst in einer Weise erleben kann, die sie motiviert, sich zu entwickeln und das eigene Umfeld zu gestalten. Ein so bewegter Mensch wird grundsätzlich offen für eine Auseinandersetzung mit jenen Wirklichkeiten, die die Motivation bremsen und hemmen. Das Erleben in solch blockierten Situationen vermittelt im Moment zwar oft einen situativen Mangel, aber noch keine pathologische Störung, auch wenn sie als Krise erlebt werden kann. Sie birgt in sich sogar die Möglichkeit, tiefer in die eigenen ich-stärkenden Strukturen hinein zu wachsen. Diese Reifung in der Vertiefung der Grundvoraussetzungen der Grundmotivationen hat sowohl eine aktive Seite, als auch eine nicht machbare. Deshalb braucht es die Aufmerksamkeit auf das Geschehen-Lassen.

In Organisationen braucht es ebenfalls existenzielle Grundbedingungen, um das eigenverantwortliche Engagement von Führungskräften und Mitarbeitenden zu fördern. In der Auseinandersetzung mit existenziellen Defiziten durch neu auftretende Herausforderungen und mit der Offenheit für das Geschehen-Lassen reifen Führungskräfte und Mitarbeitende und damit die Unternehmenskultur. Das ist eine besondere Chance für Unternehmen, die in großen Herausforderungen stehen.

Schlüsselwörter: Grundmotivationen, Unternehmenskultur, Krisen, Veränderungsprozesse

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