Existenzanalyse 1/2010

Zeitschrift ExistenzanalyseWie wirken Gruppen?
Ängstliche, depressive, histrionische sowie narzisstische Gruppen und ihre Rückwirkung auf den Leiter – ein Beitrag auf der Basis der existenzanalytischen Strukturtheorie

Christoph Kolbe (unter Mitarbeit von Cerstin Raabe und Andreas Stumm)

Die pädagogische Arbeit in und mit Gruppen stellt spezifische Anforderungen an ErwachsenenbildnerInnen, TrainerInnen und LehrerInnen. Die Unterscheidung verschiedener Gruppentypologien lässt verstehen, warum das unterrichtliche Geschehen häufig so verschiedenartig verläuft und ankommt. Im Artikel werden die ängstliche, depressive, histrionische und narzisstische Gruppe vor dem Hintergrund der existenzanalytischen Strukturtheorie charakterisiert, in ihren Rückwirkungen auf den Leiter beschrieben und spezifische Interventionen für die Arbeit mit diesen Gruppen gezeigt.

Schlüsselwörter: Authentisch lehren, Erwachsenenbildung, Existenzanalytische Strukturtheorie, Grundmotivationen, Gruppe, Gruppendynamik, Gruppentypus, Personalität

Schule und Existenz
Existenzanalytische Untersuchung des Zusammenhangs schulischer Erfahrungen mit Burnout-Erkrankungen

Franz Scheßl

Trägt Schule dazu bei, die Entwicklung von Schülerinnen und Schülern so zu fördern, dass sie ihr weiteres Leben frei und eigenverantwortlich gestalten und sich gegen Burnout-Gefahren schützen können, oder unterstützt sie die Entwicklung von Glaubenssätzenund Verhaltensmustern, die früher oder später in eine existentielle Krise und entsprechende Erkrankung führen? Diese Frage versuchte ich im Rahmen meiner Dissertation zu klären. Die Darstellung in diesem Heft beschränkt sich auf eine Zusammenfassung des theoretischen Teils, einige Anmerkungen zu Forschungsdesign und -methode sowie auf die Darstellung der Forschungsergebnisse.

Schlüsselwörter: Burnout, Pädagogik, Schule

Lehren heute: Zwischen Selbstaufgabe und Sinnerfüllung

Anton Nindl

Lehrpersonen stehen an der Schnittstelle von vielfältigen Beziehungen zu Schülerinnen und Schülern, Eltern, Kolleginnen und Kollegen sowie zu Vorgesetzten und finden sich dadurch mit verschiedenen Problemlagen wie Desinteresse und Aggressivität, Bullying und Mobbing, Abwertung und Burnout konfrontiert. In dem Beitrag wird den Fragen nachgegangen, wie diese Phänomene verstanden werden können, welche psychodynamischen Schutzreaktionen sie bei Lehrenden und Schülerinnen und Schülern auslösen und welche Antworten aus einer existenzanalytischen Perspektive gegeben werden können.

Schlüsselwörter: Aggression, Burnout, existenzanalytische Pädagogik, Sinnerfüllung

Sinn im Unterricht – Authentisch lehren

Christoph Kolbe

Dieser Vortrag blickt aus der Perspektive der Authentizität auf den Lebensraum Schule bzw. Unterricht: Wie kann Schule ein Ort sein, an dem Menschen authentisch miteinander umgehen? Hinter dieser Frage steht die These, dass eine authentische Art des Lehrens den Bildungsprozess lebendiger und sinnvoller macht, die Beteiligten anspricht und für Unmittelbarkeit sorgt. Um dies zu ermöglich, wird Authentizität in diesem Beitrag unter dem Aspekt der Haltung sowie dem Aspekt der Gestaltung hinsichtlich schulischer Wirklichkeit reflektiert. Diese Gedanken sind übertragbar auch auf andere pädagogische Arbeitsfelder.

Schlüsselwörter: Authentisch lehren, Authentizität, Erwachsenenbildung, Pädagogik, Person, Personalität, Schule

Die Bedeutung der Person in der Existenziellen Erziehung

Eva Maria Waibel

Eine Existenzielle Erziehung wird auf den Grundlagen der Existenzanalyse skizziert. Darin wird die Person als zentral angesehen und zwar sowohl die Person des Kindes als auch die Person der Erziehenden. Fokussiert wird hier auf das Kind in seiner Einzigartigkeit und Einmaligkeit, in seiner Potenzialität und seiner Fähigkeit zu Selbstgestaltung und Entscheidung. Das hat Konsequenzen in Hinblick auf die Mach- und Planbarkeit der Erziehung. Wesentlich ist eine phänomenologische Haltung der Offenheit gegenüber einer gegebenen Situation. Ziel einer Existenziellen Erziehung ist es, dem Kind einen freien Austausch mit der Welt zu ermöglichen.

Schlüsselwörter: Existenzielle Erziehung, Person, phänomenologische Erziehungshaltung

Die Entwicklung und Förderung emotionaler Kompetenz in der schulischen Praxis

Manfred Zmy

Der Kompetenzerwerb steht heute im Mittelpunkt des schulischen Lernens. Dabei dürfen Kompetenzen nicht auf ihre kognitiven Komponenten reduziert werden, sondern beinhalten ganz wesentlich auch emotionale Aspekte, d.h. die Wahrnehmung, den Ausdruck, das Verständnis und die Regulation von Gefühlen. Diese Fähigkeiten bestimmen maßgeblich auch das Lernverhalten von Schülerinnen und Schülern. Der Vortrag möchte der Bedeutung von Gefühlen für das Lernen im Schulalltag nachgehen und Möglichkeiten der Entwicklung und Förderung emotionaler Kompetenz in der Schulpraxis vorstellen. Dabei soll abschließend auch gezeigt werden, dass emotionale Kompetenz eine grundlegende Voraussetzung personalen Lernens ist, die in der existenzanalytischen Anthropologie gut verankert ist.

Schlüsselwörter: Embodiment, emotionale Kompetenz, Empathie, Gefühle, personales Lernen

Gewaltprävention an Schulen

Doris Kessler

Gezielte und bewusste Förderung von Selbstund Sozialkompetenzen erweisen sich als wirkungsvollster Beitrag zur Gewaltprävention. Die persönlichen Fähigkeiten und Einstellungen tragen dazu bei, das individuelle Verhalten auf eine gemeinschaftliche Handlungsorientierung auszurichten. Sozial kompetente Personen verknüpfen ihre Ansprüche mit den Einstellungen und Werten einer Gruppe. Grundlage für soziales Verhalten ist, ein klares Bild von sich selbst zu haben,die eigenen sozialen Bezüge zu kennen und die eigenen Stärken und Schwächen einschätzen zu können. Auch im schulischen Kontext geht es darum, Selbstvertrauen und emotionale Kompetenz zu erweitern, für die Gemeinschaft Verantwortung zu übernehmen und die eigene Wirksamkeit durch das Erledigen von Aufgaben zu erfahren.

Schlüsselwörter: Selbstvertrauen, Sozialkompetenz, Verantwortung

Schule ohne Gewalt
Ein existenzanalytisches Curriculum für den Umgang mit Gewalt und Mobbing an Schulen

Christa Lopatka

Mobbing und Gewalt an Schulen sind für SchülerInnen und LehrerInnen zu einem erheblichen Problem geworden. Tiefgreifende Auswirkungen auf die psychische, psychosoziale und psychosomatische Gesundheit von SchülerInnen und LehrerInnen können die Folge sein. Das von einer Gruppe von ExistenzanalytikerInnen konzipierte und bereits angewendete Curriculum soll LehrerInnen und LehramtskandatInnen in einer Fortbildung vermitteln, mit Gewalt und Mobbingsituationen im schulischen Umfeldrascher und kompetenter umgehen zu können.

Schlüsselwörter: Fortbildung, Gewalt, Mobbing, Pädagogik

Mobbing-Geschehen an österreichischen Schulen
Erfahrungen, Ideen und Vorschläge

Margit Holzer-Aufreiter, Godela von Kirchbach, Christine Wildner

Mobbing/Bullying ist an Schulen derzeit ein universales und generelles Problem. Es wird oft nicht erkannt, verharmlost, vertuscht oder ignoriert. Mobbing verursacht immenses und nachhaltiges persönliches Leid bei den Opfern, begünstigt eine negative Entwicklung bei den Mobbern und erschwert das Lernen für alle, indem es das Klassen- und Schulklima stark beeinträchtigt. In den folgenden drei Beiträgen wollen wir auf drei unterschiedliche Arbeitsfelder im schulischen Umfeld verweisen. In der LehrerInnenaubildung für Schulund UnterrichtspraktikantInnen fehlt immer noch eine gundsätzliche Sensibilisierung zum Themenkreis (Beitrag Mag. Holzer-Aufreiter). Im Artikel von Mag. Kirchbach wird Bezug genommen auf das von J. Bauer angebotene Freiburger Modell zur Stärkung und Gesunderhaltung von LehrerInnen angesichts der Gewaltphänomene im Unterricht. Dieses Coachingmodell für LehrerInnen soll existenzanalytisches Wissen und personale Existenzanalyse nutzen, um psychosomatische Beschwerden der Betroffenen zu lindern. Der letzte Beitrag von Mag. Wildner stellt das gemeinsam erarbeitete Antimobbingprojekt für Schulen vor, wie es auch anlässlich des GLE-Kongresses 2009 in einem Workshop dargestellt wurde.

Schlüsselwörter: Burn-Out, Gewalt, Mobbing, Pädagogik

Von Aggression zu Gewalt

David Nowrouzi

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Prozess, der von aggressiven Gefühlen und Impulsen zu tatsächlichen Gewalthandlungen führt, sowie mit den zugrunde liegenden Bedingungen. Zunächst wird die existenzanalytische Aggressionstheorie kurz zusammengefasst und ferner eine Annäherung an das Phänomen der Gewalt in den beiden Formen „Gewalt erleiden“ und „Gewalt ausüben“ versucht und schließlich wird der personale Prozess, der von Aggression zu Gewalt führt, untersucht. Abschließend wird auf therapeutische Aspekte eingegangen.

Schlüsselwörter: Aggression, Gewalt, Personale Existenzanalyse

Pädagogik und Existenzanalyse

Roman Biberich

Unter Pädagogik wird zumeist Verschiedenes verstanden und selten liegt bei entsprechenden Diskussionen dieselbe Definition zugrunde. In der vertieften Auseinandersetzung mit dem Begriff Pädagogik kommt man um eine geschichtliche Erörterung nicht umhin. Dabei treten die Verwobenheit und das daraus erwachsende Konfliktpotential von Erziehung, Unterricht, Politik und Schule deutlich zutage. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in allen Lebensbereichen des Menschen legen immer dringlicher eine Neugestaltung der praktischen Bereiche der Kleinkindpädagogik und des Schulsystems nahe. Die Existenzanalyse kann dazu wesentliche Beiträge beisteuern.

Schlüsselwörter: Existenzanalyse, Geschichte, Kleinkindpädagogik, Lehrerbildung, Pädagogik

Existenzielles Leben in der Schule durch personale Begegnung: Chance oder Utopie?

Bernadette Wurmitzer

Die Wichtigkeit personaler Begegnung im Unterricht wird beleuchtet und in Zusammenhang gebracht mit dem österreichischen Lehrplan der Volksschule, in dem sie auch eindeutig verankert ist. Die Beschäftigung mit den vier Grundmotivationen lädt zur Selbstbesinnung ein, die den Lehrer aus dem von außen erzeugten – an Trends und Traditionen ausgerichteten – Selbstbild heraus und zu sich als authentisch lebender Person führen kann. Darin liegt eine Chance, eine innere Zustimmung zum Lehrberuf
finden zu können.

Schlüsselwörter: personale Begegnung, vier Grundmotivationen, innere Zustimmung

Die vier Grundmotivationen in der Laufbahnberatung Erwachsener

Corinne Lindt Zbinden

Die vorliegende Arbeit beschreibt Anwendungsbereiche der Existenzanalyse und Logotherapie in meiner Arbeit als Laufbahnberaterin, besonders wie sich die Inhalte der vier Grundmotivationen konkret und beispielhaft in Beratungsgesprächen zeigen können, bei denen es primär (aber nie ausschließlich) um berufliche Themen geht.

Schlüsselwörter: berufliche Entscheidung, Laufbahnberatung, vier Grundmotivationen

Beratung erwerbsloser Akademiker
Anwendung der Existenz-Skala ESK in der Arbeitspsychologie

Markus Bauer

Die Existenzskala ESK (Längle, Orgler, Kundi) ermöglicht eine ganzheitliche Rückmeldung über die aktuelle Nutzung der eigenen Kompetenzen und ist besonders hilfreich an biografischen Wendepunkten und den damit einhergehenden Entscheidungsschwierigkeiten und Blockaden. Der Einsatz der ESK im Rahmen der Beratung von erwerbslosen Akademikern ermöglichte den Klienten trotz anhaltend prekärer Lebenssituation zu einer besseren Sinnerfüllung in ihrer Existenz zu kommen. Klassischerweise vermitteln Arbeitspsychologen Bewerbern auf dem Stellenmarkt Kompetenzen im Bereich der Berufsfeldfindung und Laufbahnplanung. Mit Hilfe der Anthropologie der Existenzanalyse war es bei 111 Personen möglich Fragen wie „Was kann ich?“, „Was will ich?“ und „Wer bin ich“? trotz der Belastung der Arbeitslosigkeit anzusprechen und damit tiefer gehende Gespräche anzustoßen. Solche Beratung löste rege Nachfrage seitens der Klienten aus, kam sie doch den heute sehr geläufigen Themen von „Sinn“, „Glück“ und „Identität“ sehr entgegen.

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