Existenzanalyse 1/2013
Die Wirksamkeit von Existenzanalyse und Logotherapie
Retrospektive Beurteilungen
Anton-Rupert Laireiter, Maria Magdalena Schaireiter, Christa Schirl-Russegger, Isabella Baumgartner, Alfried Längle, Joachim Sauer
Problemstellung: Die Evaluation der Wirksamkeit und klinischen Brauchbarkeit eines psychotherapeutischen Verfahrens gehört zu den essentiellen Aufgaben der Psychotherapieforschung. Die vorliegende Studie untersucht die Wirksamkeit existenzanalytisch-logotherapeutischer Psychotherapie auf psychische, körperliche und sozialkommunikative Beeinträchtigungen und die Veränderung im Erleben und Verhalten aus der Sicht von Patienten und deren Therapeuten aus retrospektiver Perspektive.
Methodik: Dazu wurden 26 Therapeuten und 106 ihrer Klienten, die eine existenzanalytische Psychotherapie abgeschlossen oder abgebrochen hatten, in einem retrospektiven Design mit dem Beeinträchtigungsschwere-Score (BSS), dem Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens (VEV) und der Veränderungsskala des Patientendokumentationssystem „Psycho-Dok“ (V-Skala) untersucht. Die Ergebnisse der Abbrecher und der regulären Abschließer wurden miteinander verglichen.
Ergebnisse: Es zeigten sich statistisch signifikante Verbesserungen mit hohen bis sehr hohen Effektstärken in den psychischen, körperlichen und sozialkommunikativen Beeinträchtigungen nach der Therapie. Weiters zeigten sich bei fast 90% der Probanden klinisch signifikante positive Veränderungen im Erleben und Verhalten. In der V-Skala von Psycho-Dok gaben die Patienten jedoch nur für emotionale und kognitive Variablen starke bis sehr starke Verbesserungen an, im Bereich sozialer Beziehungen und der Alltagsbewältigung waren die erlebten Verbesserungen geringer; keine Veränderungen gaben die Patienten für Substanzkonsum und medizinische Behandlungen an. Therapieabbrecher erreichten aus eigener und der Sicht ihrer Therapeuten signifikant geringere Therapieeffekte in der psychischen und interpersonalen Beeinträchtigung des BSS; keine Unterschiede fanden sich für die Veränderungen in der körperlichen Beeinträchtigung und die beiden direkten Veränderungsmessungen des Erlebens, Verhaltens und zwischenmenschlicher Beziehungen (VEV, V-Skala).
Diskussion: Die Ergebnisse weisen auf eine sehr gute Wirksamkeit der Existenzanalyse und Logotherapie in der therapeutischen Alltagspraxis im Bereich psychischer Auffälligkeiten und Störungen und zwischenmenschlicher Beeinträchtigungen hin. Damit ist auch von einer hohen Ergebnisqualität der Methode in diesen Bereichen auszugehen. Einschränkungen dieser Aussage betreffen vor allem die Größe und Repräsentativität der Stichprobe und die Retrospektivität der Datenerhebung. Dies wird abschließend erörtert.
Schlüsselwörter: Existenzanalyse und Logotherapie, Konsumentenstudie, Praxisforschung, Psychotherapieforschung, Qualitätssicherung, Wirksamkeit
Existentielles Coaching – Das Konzept der personal-existentiellen Grundmotivationen im Coaching
Dorothee Bürgi
Für den Coach in der Praxis ist es wichtig, dass Coaching-Ansätze praktisch anwendbar sind, auf einem theoretischen Fundament stehen, das den Menschen ganzheitlich erfasst, und dass sie sich mit anderen Denkschulen verbinden lassen. Der theoretische und anwendungsorientierte Hintergrund des Konzepts der Grundmotivationen nach Alfried Längle trägt diesem Bedürfnis der Coaching-Praxis Rechnung: mit seinem anthropologischen Rahmen, dem praktischen Zugang zu Existenz, dem positiv gesetzten Menschenbild und den Methoden, die mit den personalen Ressourcen arbeiten. Der Beitrag zeigt die Anwendung der Grundlinien aus der Theorie zur existentiellen Motivation des Menschen am Beispiel von zwei Situationen aus der Coachingpraxis und schließt mit Überlegungen zum grundsätzlichen Ansatz von Existentiellem Coaching.
Schlüsselwörter: Existenzanalyse, Existentielles Coaching, Grundmotivationen
Organisationsentwicklung mit Ansätzen der Existenzanalyse
Marianne Grobner
Das Management Center Vorarlberg berät und begleitet seit 40 Jahren Organisationen in Veränderungsprojekten. Erfolgsentscheidend für eine Beraterfirma ist immer, inwieweit die Projekte nachhaltig umgesetzt werden.
Das kann aus unserem Beraterverständnis nur funktionieren, wenn es uns gelingt in den Menschen und Organisationen Kräfte und Energien freizusetzen, um damit die sinn- und wertorientierte Entwicklung sicherzustellen. Doch kann man als BeraterIn überhaupt Kräfte und Energien freisetzen? Wo soll man ansetzen? Welche Rolle hat dabei ein/e BeraterIn?
Mit dem Organisationsmodell des Management Center Vorarlberg und einem Praxisfall möchte ich diese Arbeitsweise näher beschreiben und unsere Antworten auf diese Fragen geben.
Schlüsselwörter: Authentizität, Beraterverständnis, Führungs-Sinn, Grundmotivationen, Intuition, Organisationsentwicklung
Sinnerleben und Burnout-Prophylaxe
Aus Sicht des Ressourcen-Managements und der Existenzanalyse
Gerda Meier Kernen und Hans Kernen
Aus existenzanalytischer Sicht kann Burnout mit einem Defizit an echtem, existentiellen Sinnerleben erklärt werden. Alfried Längles Thesen dienen als Ausgangspunkt dieses Artikels. Die Autoren setzen diese Sicht in Bezug zum salutogenetischen Ressourcen-Management-Ansatz. In dessen Zentrum stehen die langfristige gesundheitliche Balance im Kontext der alltäglichen Lebensgestaltung sowie der komplexe Abstimmungsprozess zwischen subjektiver Belastung und aktuell zur Verfügung stehenden Ressourcen. Dieser Fokus hat vor allem für den erwerbstätigen Menschen eine hohe Bedeutung. Aus einer früheren wissenschaftlichen Studie sind diejenigen Ressourcen bekannt, welche im Arbeitsfeld die grösste gesundheits- und leistungsfördernde sowie Burnout-prophylaktische Wirkung aufweisen. Basierend darauf konnten in den letzten Jahren 4‘170 Datensätze generiert werden, welche nun in einer ersten Ressourcen-Analyse ausgewertet werden (preliminary results). Dabei wird die These des Defizits an existentiellem Sinnerleben als Burnout-fördernder Faktor bestätigt. Anhand von Fallbesprechungen wird das Zusammenspiel von Ressourcen-Management und Existenzanalyse beschrieben. Abschliessend wird deutlich, dass nicht nur die individuelle und dialogische Dimension auf die Gesundheit als Prozess einwirken, sondern dass auch die organisational-kulturellen Aspekte eines Unternehmens mitberücksichtigt werden müssen.
Schlüsselworter: Burnout-Prophylaxe, Ressourcen-Management, Salutogenese, Sinn
Der Beitrag der Existenzanalyse in der Führung und Organisationsentwicklung – Erfahrungen aus der Praxis
Stefan Marti
Der Artikel gibt eine Übersicht über den Einsatz der Existenzanalyse (EA) im Bereich Führung und Organisationsentwicklung. Es wird aufgezeigt, welches aktuelle Fragen in der Managementwelt sind und welche Beiträge die Existenzanalyse dazu geben vermag. Der Schwerpunkt des Artikels liegt im konkreten Aufzeigen der für die Managementwelt besonders tragenden Inhalte und Konzepte der EA.
Schlüsselwörter: Führung, Organisationsentwicklung, Management, Selbstführung
Entwicklung von Führungsleitsätzen
Robert Bachfischer
Der nachfolgende Text stellt die Erarbeitung von Führungsleitsätzen in einer Non-Profitorganisation dar. Als Grundlage wurde das Konzept der vier Grundmotivationen benutzt. Es wird kurz das grundlegende Führungsverständnis dargestellt, das als Voraussetzung hierfür gegeben sein muss. Die Darstellung der vier Grundmotivationen wird für den Prozess der Erarbeitung der Führungsleitsätze () modifiziert.
Schlüsselwörter: Führungsleitsätze, Grundmotivationen, Leadership
Ein Blick hinter die Fakten
Phänomenologie in der Unternehmensberatung
Helmut Hohengartner
Konsequente Unternehmensberatung fußt auf einer durchgängigen Beratungsphilosophie, der eine spezifische Anthropologie zugrunde liegt. Will sich der Unternehmensberater über Informationsvermittlung und Animation hinausgehend dem Klienten in seiner existenziellen Situation zuwenden, um ihn zu befähigen, problematische Situationen zu bewältigen, dann ist ein Blickwinkel angezeigt, der die ganze Person des Klienten in das Bild bekommt. Die phänomenologische Haltung hat dabei eine wichtige Funktion. Anhand von Fallbeispielen aus der Beratungspraxis soll dargestellt werden, wie es gelingen kann, den personalen Ansatz im nüchternen und sachlichen Umfeld der Unternehmensberatung zu praktizieren.
Schlüsselwörter: Unternehmensberatung, Phänomenologie, Coaching, Sinnerfassungsmethode
Management und Existenzanalyse
zum Schwerpunkt Entscheidung und einem Praxisbeispiel zur Arbeit in Teams
Jürgen Baumann
Dieser Artikel bezieht sich im ersten Teil im Wesentlichen auf meine Master-Thesis, die im vergangenen Herbst entstanden ist. Sie trägt den Titel: Management und Existenzanalyse, zum Schwerpunkt Entscheidung und mit einem Blick auf die Sichtweise der soziologischen Systemtheorie. Im zweiten Teil stelle ich zusammengefasst das Beispiel einer Team-Entwicklung dar, bei der ich auf der Basis der vier Grundmotivationen gearbeitet habe.
Schlüsselwörter: Entscheidung, Freiheit, Grundmotivationen, Management, Person
„Arbeit als Eintrittskarte für ein gutes Leben“
Ein Erfahrungsbericht aus Programmen zur Arbeitsfähigkeitsförderung durch Arbeitsgestaltung
Irene Kloimüller
Arbeitsfähigkeit der Belegschaften erhalten ist eine zentrale Herausforderung für die Zukunft. Höhere Arbeitsfähigkeit bedeutet längerer Verbleib im Arbeitsprozess, bessere Gesundheit, höhere Lebensqualität – auch nach der Pensionierung – und höhere Qualität und Produktivität im Unternehmen.
Arbeitsfähigkeitsförderung stellt damit eine win-win-win Situation dar, für Betroffene, für Unternehmen und für die Volkswirtschaft.
In Österreich wurden zwei große Programme gelaunched: „Fit für die Zukunft – Arbeitsfähigkeit erhalten“ (abgeschlossen Feb. 2013); und „fit2work- Betriebsberatung“ (gestartet 2012), die Betriebe unterstützen sollen Arbeitsbedingungen arbeitsfähigkeitsfördernd zu gestalten.
Schlüsselwörter: Arbeitsfähigkeit, Humanisierung der Arbeit, Werte in der Arbeit, Coaching / OE, Lebensqualitätssteigerung
Existenzanalyse und Organisationsentwicklung
Rainer Kinast und Alexander Milz
Die Existenzanalyse kann mit ihrem theoretischen Verständnis von Person und Organisation einen wesentlichen Beitrag für die Weiterentwicklung von Unternehmen und Organisationen leisten. Dafür braucht es aber keine neue Gesamttheorie von Organisationsentwicklung, davon gibt es bereits genug. Innerhalb des heute gängigen Verständnisses von Organisationsentwicklung sehen es die Autoren als Aufgabe, die theoretischen Grundlagen zu schaffen, damit die Stärken einer existenzanalytischen Denkweise und ihrer Methoden in Veränderungsprozessen gezielt einsetzt werden können.
Es wird eingangs das heute gängige Verständnis von Organisationsentwicklung skizziert. Danach werden die Spezifika einer existenzanalytisch basierten Organisationsentwicklung herausgearbeitet. Ausgangspunkt bildet dabei der aktuelle Beratungsbedarf von Unternehmen aus der Sicht der Autoren, eingebettet in die wesentlichen theoretischen Grundlagen der Existenzanalyse und übersetzt in den Kontext der Organisationsentwicklung.
Abschließend werden organisationsentwicklerische Themenbereiche benannt, die sich aus der Erfahrung beider Autoren für eine existenzanalytisch basierte Organisationsentwicklung besonders eignen.
Schlüsselwörter: Organisationsentwicklung, Existenzanalyse